26. Mai 2017

Vorbesprechung oder Sprengsatz? G7-Gezerre in Sizilien

Oxfam-Stunt heute Morgen: G7-Gezerre ums Klima
Als Bundeskanzlerin Angela Merkel seinerzeit sagte, künftig seien die G7-Treffen nur noch „Vorbesprechungen“ für den G20-Gipfel, hatte sie sich bestimmt etwas anderes vorgestellt als das Gezerre, das derzeit in Taormina/Sizilien zu beobachten ist. Statt einer klaren Agenda, mit dem die großen westlichen Industrieländer in den G20-Gipfel im Juli in Hamburg gehen könnten, dominiert die Zerstrittenheit, vor allem mit dem US-Präsidenten Donald Trump. Auch unter Insidern gilt der G7-Gipfel auf Sizilien als die „größte Herausforderung“ (Tusk), der die G7 seit Jahren gegenüber standen.

Der einzige Beitrag, den die G7-Runde bislang zur G20-Politik besteuerten, ist eine Verwässerung der Sprache in Sachen Handelspolitik: Statt der bisherigen klaren Absage an jegliche Form des Protektionismus, heißt es seit kurzem nur noch, man wolle den Beitrag des Handels „zu unseren Ökonomien“ stärken. Dabei fällt es selbst bei Absehen von dem bizarren Auftreten Trumps und seiner in „banalem Englisch“ (Juncker) gehaltenen Rhetorik schwer, eine neue handelspolitische Linie der USA, etwa im Sinne einer „fairen“ Handelspolitik, zu erkennen. Die exorbitanten Handelsbilanzüberschüsse Deutschlands sind zweifellos stark für die derzeitigen weltwirtschaftlichen Ungleichgewichte mitverantwortlich. Doch „fair“ ist für den US-Präsidenten nur, was unmittelbar den Wirtschaftsinteressen der US-Großindustrie nützt. Damit stiehlt Trump nicht nur schamlos einen Begriff, den sich eigentlich die Zivilgesellschaft auf die Fahnen geschrieben hatte („fairer Handel“), sondern stellt ihn in seiner Bedeutung schlicht auf den Kopf.

Mindestens ebenso groß ist das Gezerre, das auf Sizilien um die Klimapolitik stattfindet. Bis heute ist nicht klar, ob sich die USA nun aus dem Pariser Klimaabkommen zurückziehen oder nicht. Dabei ist sowohl das eine als auch das andere wahrscheinlich schädlich: Verlassen sie das Abkommen, können sie in Ruhe ihre klimafeindlichen Alleingänge fortsetzen. Bleiben sie drin, dürften sie als Bremser klimapolitische Fortschritte behindern. Viele halten es deshalb inzwischen für besser, die USA würden gehen. „Ein Paris-Abkommen ohne Trump ist besser als ein wertloses Paris-Abkommen mit Trump,“ meinte vor Taormina auch die NGO-Lobbyorganisation Germanwatch. Die restlichen G7-Länder dürften sich in der Klimafrage auf keine faulen Kompromisse mit den USA einlassen. In der Tat: Sonst wäre der G7-Gipfel nicht mal mehr eine Vorbesprechung, sondern ein Sprengsatz, der letztlich auch den G20-Gipfel gefährdet.

25. Mai 2017

Am Abgrund: Vier Hungerkrisen zum G7-Gipfel

Wir alle haben gefeiert. Die Armut in nur zwei Dekaden halbiert - ein historischer Erfolg! Großartige Leistung der Menschheit! Eine freiere Welt mit weniger Krankheiten und weniger Gewalt! Mehr Mädchen in der Schule. Uns Afrikanern wurde erzählt, dass "Krieg, Hunger und Diktaturen seltener geworden sind." Heute ist die Feier vorbei. Die G7 müssen handeln, 

sagt Winnie Byanyima von Oxfam International >>> here.

24. Mai 2017

G7: Die Verantwortung bleibt

Die Bedeutung der sieben großen westlichen Industrieländer (G7) in der Architektur der Weltpolitik mag abgenommen haben. Doch die Verantwortung der G7, wirksame Beiträge zur Lösung globaler Probleme bereitzustellen, bleibt. Beispiel: globale Hungerkrisen. Die Nothilfe- und Entwicklungsorganisation Oxfam hat jetzt im Vorfeld des G7-Gipfels im sizilianischen Taormina eine Studie vorgelegt, die zeigt, was die G7-Regierungen tun müssen, um eine globale Hungerkrise zu verhindern. Der Bericht (>>> On the Brink) weist am Beispiel der aktuellen vier Hungerkrisen-Länder in Afrika nach, dass derzeit kein G7-Staat einen fairen Beitrag zur Nothilfe-Finanzierung leistet.

In Jemen, Somalia, Nigeria und Südsudan drohen bis zu 30 Millionen Menschen zu verhungern. Deswegen müssen die G7-Staaten ihre Nothilfe dringend von derzeit insgesamt 1,7 auf mindestens 2,9 Mrd. US-Dollar erhöhen, so Oxfam. Die sieben Wirtschaftsmächte müssten zudem den politischen Druck auf die Konfliktparteien deutlich erhöhen. Nur so bestehe eine Chance, die schon jahrelang andauernden Kriege und Konflikte zu beenden, die der ausschlaggebende Faktor für die Hungerkrisen sind. „Politisches Versagen hat diese Krisen geschaffen – jetzt braucht es politische Führung, um sie zu lösen. Die Regierungschefs dürfen Taormina nicht verlassen, ohne ihre Nothilfe deutlich aufzustocken und einen Plan in der Tasche zu haben, wie sie diese Krisen lösen wollen,“ so Jörn Kalinski von Oxfam Deutschland.

Oxfam stützt seine Forderung auf neueste UNO-Zahlen. Die Vereinten Nationen beziffern den Finanzbedarf für die Hungerkrisen im Südsudan, Jemen, Somalia und Nigeria auf 6,3 Mrd. US-Dollar. Oxfam hat errechnet, dass der Nothilfe-Aufruf zur Hälfte gedeckt wäre, würden alle G7-Länder einen prozentualen Anteil an Nothilfe beisteuern, der jeweils ihrer wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit entspricht. Derzeit ist der Aufruf nur zu 30% finanziert und kein G7-Land hat für alle vier Krisenländer Hilfszusagen in Höhe des gerechten Anteils gemacht.

Bei ihrem Gipfeltreffen 2015 auf Schloss Elmau hatten sich die G7 zum Ziel gesetzt, 500 Millionen Menschen aus Hunger und Mangelernährung zu befreien. Doch in den vier aktuellen Krisenländern leiden derzeit mindestens 30 Millionen Menschen an Hunger, zehn Millionen sind von Hungersnot bedroht. Heute haben weltweit 40 Prozent mehr Menschen mit Ernährungsunsicherheit zu kämpfen als noch vor zwei Jahren. Hungerkrisen sind auch Ausdruck großer weltpolitischer Herausforderungen, wie Klimawandel, Migration und soziale Ungleichheit, mit denen sich die G7 auf ihrem Gipfel befassen müssen.

Grundlage der Analyse sind aktuelle Daten aus dem Financial Tracking System (FTS) der Vereinten Nationen sowie weitere Informationen einiger G7-Staaten über ihre Nothilfe-Finanzierung. Diese Daten werden mit der Wirtschaftskraft (Bruttonationaleinkommen) jedes Landes ins Verhältnis gesetzt.

Kein G7-Land trägt für alle vier Krisenländer (gemessen an seiner Wirtschaftskraft) seinen gerechten Anteil am Nothilfe-Aufkommen. Nur ein G7-Land (Großbritannien) trägt für den Jemen seinen gerechten Anteil am Nothilfe-Aufruf bei, zwei Länder (Großbritannien und Kanada) für Südsudan, zwei Länder (Großbritannien und Deutschland) für Somalia und zwei (Kanada und Deutschland) für Nigeria.

● Den aktuellen Bericht als PDF-Download finden Sie >>> hier.

8. Mai 2017

Macrons Wahlsieg: Kein Grund zur Entwarnung

Gastblog von Joseph E. Stiglitz


Der Sieg von Emmanuel Macron bei den französischen Präsidentschaftswahlen hat einen weltweiten Seufzer der Erleichterung ausgelöst. Zumindest Europa folgt nicht jenem protektionistischen Pfad, den Präsident Donald Trump den Vereinigten Staaten aufzwingt. Doch sollten die Globalisierungsbefürworter den Champagner im Kühlschrank lassen: Protektionisten und Befürworter einer „illiberalen Demokratie“ sind in vielen anderen Ländern auf Erfolgskurs.

Die Tatsache, dass ein unverblümt bigotter, gewohnheitsmäßiger Lügner wie Trump in den USA derart viele Stimmen erhalten konnte und dass die rechtsextreme Marine Le Pen am 7. Mai zur Stichwahl gegen Macron antrat, sollte zu tiefer Besorgnis Anlass geben.

Manche glauben, dass Trumps Missmanagement und offensichtliche Unfähigkeit ausreichen sollten, um die Begeisterung für populistische Patentlösungen anderswo zu dämpfen. Auch wird es den Wählern im US-Rostgürtel, die Trump unterstützt haben, in vier Jahren fast mit Sicherheit schlechter gehen, und rationale Wähler werden das mit Sicherheit verstehen. Doch es wäre ein Fehler, anzunehmen, dass die Unzufriedenheit mit der Weltwirtschaft – zumindest darüber, wie sie eine große Anzahl derjenigen behandelt, die der Mittelschicht angehören (oder früher angehört haben) – ihren Zenit erreicht hat. Falls die entwickelten freiheitlichen Demokratien ihre bisherige Politik weiterverfolgen, wird das freigesetzte Arbeitskräfte weiter verprellen. Viele werden das Gefühl haben, dass Trump, Le Pen und Co. zumindest vorgeben, ihren Schmerz zu teilen. Die Vorstellung, dass die Wähler sich von selbst vom Protektionismus und Populismus abwenden werden, ist möglicherweise nicht mehr als kosmopolitisches Wunschdenken...

... den Rest des Kommentars finden Sie >>> hier.

7. Mai 2017

Bonner Klimaverhandlungen unter Trump-Druck

Von diesem Montag an werden Regierungsvertreter aus aller Welt in Bonn über die Umsetzung des Pariser Klimaschutzabkommens beraten. Auf der Agenda steht insbesondere die Arbeit am Regelwerk für das Abkommen, z.B. zur Berichterstattung der Länder über geleisteten Klimaschutz, oder Art und Umfang künftiger Selbstverpflichtungen. Auch Beratungen über die erste Überprüfung der Wirksamkeit des Abkommens im nächsten Jahr werden stattfinden. Zudem geht es darum, einen Beschluss für konkrete Hilfe für die ärmsten Länder, insbesondere die Zukunft des Anpassungsfonds, vorzubereiten. Der Fonds finanziert konkrete Projekte für die Anpassung an nicht mehr vermeidbare Folgen des Klimawandels, besonders für die ärmsten und verletzlichsten Bevölkerungsgruppen in Entwicklungsländern.


Mittlerweile haben fast 150 Länder den Vertrag ratifiziert und damit ihren Willen bekundet, den Klimawandel zu begrenzen und die Transformation der Weltwirtschaft anzugehen. Überschattet wird die Bonner Runde wird überschattet von der Ankündigung Donald Trumps, in der kommenden Woche über den Verbleib der USA im Pariser Klimaschutzabkommen und eine Rücknahme der bisher geltenden Klimaschutz-Selbstverpflichtung zu entscheiden. Zwar wäre diese Entscheidung, wenn sie tatsächlich kommt, formal kein Thema auf der Bonner Verhandlungsagenda. Sie dürfte aber die Stimmung bei den Gesprächen deutlich trüben.

Kein Wunder, dass vor allem NGOs nervös auf die Bonner Verhandlungen blicken. Zum Start der zweiwöchigen Bonner Gespräche forderte Oxfam die Regierungen auf, sich nicht vom Störfeuer des US-Präsidenten beirren zu lassen und die Umsetzung des Pariser Klimaschutzabkommens zügig fortzusetzen. Parallel dazu müsse die Bundesregierung auf allen Kanälen Druck auf den US-Präsidenten ausüben, um ihn von einer möglichen Entscheidung abzubringen, das Pariser Abkommen zu verlassen. Germanwatch forderte von den Konferenzteilnehmern klare Signale, dass sie das Pariser Klimaabkommen zügig umsetzen wollen. Das Pariser Klimaabkommen sei schließlich nur so gut wie seine Umsetzung.

Doch ob es unter den Bedingungen der Austrittsdrohungen aus Washington zu neuem klimapolitischem Schwung kommt, ist alles andere als klar. Schließlich sind schon die bisherigen Anstrengungen viel zu schwach, um die globale Erwärmung auf deutlich unter 2°C zu begrenzen, wie es im Abkommen vorgesehen ist. „Da können wir das Störfeuer des US-Präsidenten wirklich nicht gebrauchen“, sagt Jan Kowalzig von Oxfam Deutschland.